Willi
(1912-2001 ) Freiburg

geb. am 19. 08. 1912

Konradsblatt Freiburg (2001):
In der Nacht zum 17. Juli ist Prälat Willi Vomstein im Alter von 89 Jahren in Freiburg gestorben.
Der emeritierte Domkapitular hat als langjähriger Personalreferent in den Jahren 1956 bis 1983 die Personalplanung des Erzbistums Freiburg wesentlich mitgeprägt.
Die über 20-jährige Tätigkeit Willi Vomsteins als Personalreferent fiel in eine Zeit des Umbruchs und des Wandels: Die Zahl der Pfarreien im Erzbistum stieg auf 1085, während die Zahl der Neupriester stark zurückging. Eine Veränderung, die Prälat Vomstein zutiefst bewegte und beschäftigte. Patentlösungen und leichte Antworten gab es in diesen Jahren so wenig wie heute. Vomstein plädierte mit Nachdruck für mehr Mobilität unter den Priestern und für die Bildung von Pfarrverbänden. Darüber hinaus förderte er nachhaltig den verstärkten Einsatz von haupt- und ehrenamtlichen Laien.
Willi Vomstein, am 19. August 1912 in Freiburg geboren, wurde zusammen mit seinem jüngeren Bruder Fritz 1938 zum Priester geweiht und noch während seiner Kaplanzeit in Pforzheim 1940 zum Militärdienst eingezogen. Er verbrachte fünf Jahre als Sanitäter im Feld und geriet dann in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Sein Bruder fiel an der Front.
Erzbischof Conrad Gröber berief Willi Vomstein 1947 als Repetitor für Dogmatik ins Theologenkonvikt nach Freiburg. 1956 wechselte er ins Erzbischöfliche Ordinariat, wo ihm drei Jahre später Erzbischof Hermann Schäufele das Personalreferat übertrug. 1961 wurde er Domkapitular, 1968 zum Päpstlichen Ehrenprälaten ernannt.
Eng verbunden war Willi Vomstein dem Freiburger Münster. Seine Fotosammlung vom Münster ist diözesanweit berühmt. Vomstein nutzte die Renovationsarbeiten am Münster, kletterte auf die Gerüste und fotografierte mit einem leistungsfähigen Teleobjektiv. So entstanden ungewöhnliche, ja einzigartige Aufnahmen, die dem Betrachter einen ganz neuen Blick auf die Bischofskirche ermöglichten. Seine Fotosammlung hat Willi Vomstein dem Münsterbauverein hinterlassen.
Beim Requiem im Freiburger Münster würdigte Erzbischof Oskar Saier die Persönlichkeit des Verstorbenen: „Seine Zuversicht, die ihn in noch so schwierigen Situationen begleitete, hatte durchaus nichts Gekünsteltes, sondern kam aus dem Innern seines Herzens“, betonte der Erzbischof. Der Gedanke an eine kirchliche „Karriere“ habe Vomstein fern gelegen. „Es war für ihn eine Selbstverständlichkeit, dass seine zahlreichen Talente Gabe und Aufgabe sind, ihm geschenkt, um sie für andere fruchtbar einzusetzen.“
Der gelernte Bibeltheologe Willi Vomstein bewahrte sich zeit seines Lebens die Nähe zur Heiligen Schrift. Sein Wissen und sein Verständnis der biblischen Texte gab er in Bibelkreisen weiter. Eng verbunden war er auch bis zuletzt mit seinen Angehörigen. In den vergangenen zwei Jahren, die er im Freiburger Pflegeheim Carolushaus verbrachte, besuchten sie den „Senior“ der großen Vomstein-Familie oft und regelmäßig.
Nicht zu vergessen ist das große Engagement Prälat Vomsteins für die Pfarrhaushälterinnen. 12 Jahre lang war der Domkapitular Geistlicher Beirat der Haushälterinnen im Stadtdekanat Freiburg. Er begleitete die monatlichen Zusammenkünfte ebenso wie die Ausflüge und Wallfahrten.

Ein Prälat als Photokünstler
Willi Vomsteins traumhafte Trickaufnahmen vom Freiburger Münster
Der „schönste Turm der Christenheit" ist sein Lieblingsmotiv. „Ich bin immer wieder begeistert von seiner Durchsichtigkeit", schwärmt der 85jährige Willi Vomstein vom Freiburger Münsterturm. „Im Gegenlicht sieht er wie ein Scherenschnitt aus." Seit 50 Jahren fotografiert der Prälat die Kathedrale - und wählt dabei auch ungewohnte Blickwinkel.
„Trickaufnahmen", steht auf einer der zahllosen Kassetten mit je 20 Diapositiven, die der Fotofreak in seinem Archivschrank gleich neben der Eingangstür seiner Wohnung aufbewahrt. Sie zählen zu den Glanzpunkten einer inzwischen 4.000 Fotos umfassenden Sammlung, die den Prälaten als wichtigsten Bildchronisten des gotischen Gemäuers ausweisen. Zielstrebig zieht Vomstein die sorgsam beschriftete Kassette heraus und überrascht damit den Besucher am Lichttisch. Mit einer Prisma-Linse hat er den Münsterturm gleich sechsmal neben- und übereinander auf den Film gebannt. Einfach traumhaft. „0er schönste Turm der Christenheit träumt von seinen jüngeren Geschwistern in Regensburg und Köln", erläutert der Prälat das hintersinnige Motiv. Die Freiburger sind besonders stolz auf das im Jahr 1320 vollendete Original mit dem weltweit ersten durchbrochenen Turmhelm. Die „Kopien" im Bayerischen und am Rhein mögen höher sein, erbaut wurden sie wesentlich später.
Wenn der Sandstein blüht und Paulus errötet
Vomstein verbindet mit dem Münster eine besonders enge Beziehung. Hier wurde er getauft, gefirmt, zum Priester geweiht und zum Domkapitular eingesetzt. Den ersten Fotoapparat - es war noch eine Plattenkamera - bekam er gemeinsam mit seinem Bruder zur Erstkommunion geschenkt. Seit der Pensionierung als Personalreferent der Erzdiözese im Jahr 1983 ist das Fotografieren „sozusagen mein Zweitberuf", sagt der Prälat schmunzelnd. Von seiner Wohnung in der Herrenstrasse hat er es keine 100 Schritte weit bis zum Münsterplatz, wo er stets aufs Neue vom Lichtspiel der Farben fasziniert ist: „Morgens blüht der Sandstein rot, wechselt gegen Mittag fast ins Blaue, bevor er in der Abendsonne wieder in tiefem Rot erstrahlt". Und zu einer bestimmten Uhrzeit, die nur wenige ausser Vomstein kennen, errötet im Innern Paulus, der Hitzkopf unter den Aposteln ...
Ideen für neue Motive findet der Geistliche auch in seinem Garten. So inspirierte ihn eine besonders schön offen blühende Osterglocke zu einem der ansprechendsten Bilder seiner Sammlung: In einer Doppelbelichtung stülpte Vomstein über das Münster den Blütenkelch. Mit ihrer leichten Unschärfe lässt sie die Gestalt eines Engels ahnen, der die Turmspitze umfasst: Es muss ein Schutzengel gewesen sein, der das Münster während so vieler Schlachten behütete, so dass es den Bauernkrieg 1525 und auch die verheerende Bombennacht im November 1944 überstand.
Vom Turm regnet es Goldtaler
Ein versierter Trickfotograf hat nicht immer Tiefgründiges im Kopf. Er lässt schon mal - ebenfalls mittels Doppelbelichtung - vom Münsterturm Goldtaler herabregnen oder versucht das Unmögliche: eine Seitenansicht der Kirche mitsamt der gegenüberliegenden Häuserzeile. Ein „Fischaugen"-Objektiv macht`s möglich. Die Plattenkamere hat längst ausgedient. Seit 1947 ist Vomstein ein Minolta-Fan. „Ich habe die ganze Entwicklung dieser Kameras mitgemacht", erzählt er. Die wichtigste technische Erneuerung sieht er im Autofocus: „Damit kommt man einfach schneller zum Schuss." Unter seinen Mitbrüdern ist der 85jährige mit seiner Leidenschaft beileibe nicht allein. Sogar mit Erzbischof Oskar Saier, dem er einst im Theologenkonvikt die Dogmatik näherbrachte, hat er schon über Weitwinkel und Tiefenschärfe gefachsimpelt.
Das Münster mit seinen tausenden, zum Teil sehr versteckten Figuren wird den Fotografen noch lange beschäftigen. Vomstein möchte aber noch ein anderes Geheimnis des „schönsten Turms der Christenheit" lüften. So wird der Turm in Anlehnung an ein angebliches Zitat aus einem Brief des vor genau 100 Jahren verstorbenen Kunsthistorikers Jacob Burckhardt häufig genannt. Wo dieses Zitat genau herstammt, hat bisher niemand herausgefunden.
Christoph Renzikowski (KNA)

Bildmitte: Willi u. rechts daneben Erzbischof Seidrich
1956
Konrad Kunze
Himmel in Stein
Das Freiburger Münster
Herderverlag

Das Foto-Archiv von
Willi Vomstein befindet sich
in der Münsterbauhütte